Die Generation Y im Faktencheck

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aboutpixel.de Unter die Lupe nehmen - 1 Rainer SturmDas hat sich doch alles ganz gut angehört: mit der “Generation Y“, den “Digital Natives” oder “Millennials”, kommt neuer Wind in die Arbeitswelt. Die „Digital Natives” sind mit digitalen und sozialen Medien aufgewachsen, stellen neue Anforderungen an ihren Arbeitsplatz und fordern neue Spielregeln in der Führung. Sie wollen selbstbestimmt und flexibel arbeiten. Und zum Enterprise 2.0, zum vernetzten Unternehmen, ist es dann nur noch ein logischer Schritt.

Doch nicht alle sind davon begeistert. Ein Beitrag in DIE ZEIT stellt die Frage “Wollen die auch arbeiten?” und spricht von der Generation “Weichei”. Ein Beitrag im manager magazin bezeichnet die “Digital Natives” als “Kuschel-Kohorte“. Es wird argumentiert, dass die Ansprüche dieser Generation zwar gestiegen sind, aber gleichzeitig deren Fähigkeiten nicht Schritt gehalten haben. In einem Interview bei spiegel.de wird die Frage gestellt: “Wie soll man mit solchen Diven arbeiten?“. Nach der aktuellen Telefónica Global Millennial Studie sehen die Millennials für Unternehmertum in Deutschland viele Möglichkeiten (73%), tatsächlich ist es ihnen aber gar nicht so wichtig (30%). Die Arbeitswissenschaftlerin Jutta Rump argumentiert, die “(…) Generation Y verlange ausreichend Freizeit, sei aber nicht bereit, dafür auf Geld oder einen sicheren Arbeitsplatz zu verzichten”. Und das Magazin Cicero titelt “Die selbstgefällige Generation“.

Alles nicht so dramatisch sagen Nico Rose und Christoph Fellinger in ihrem Artikel “Wir wollen’s anders” bei managerSeminare.de. Bei ihrer “Machtübernahme” durch den kommenden demografischen Wandel werden die Angehörigen der Generation Y ihre eigenen Ideen, Wünsche und Arbeitsweisen in den Unternehmen schon durchsetzen. In dem Artikel, den es auch als Podcast gibt, werden die Kompetenzen, Einstellungen und Werte der Generation Y in Form von 10 Thesen beschrieben:

These 1: Der Wunsch nach Work-Life-Balance wird durch den Wunsch nach Work-Life-Blending abgelöst
These 2: Der Mythos von der steilen Unternehmenskarriere zieht nicht mehr
These 3: Der Zugang zu Wissen als Machtbasis verliert seine Bedeutung
These 4: Die Führung von Themen wird die Führung von Menschen als wichtigste Kompetenz ablösen
These 5: Die Loyalität gehört dem “Tribe”, nicht dem Unternehmen
These 6: Führung wird demokratisiert
These 7: Führungskräfte und Unternehmen werden anständiger
These 8: Das Zeitalter der postheroischen Führung bricht an
These 9: Sinn wird noch wertvoller
These 10: Erfolg gibt es nur ganzheitlich

Allerdings sind die genannten Lösungskonzepte wie Vertrauensarbeitszeit, Teamarbeit, dezentrale Verantwortung,  Partizipation,  Selbstorganisation oder flexible Arbeitsorte nun nicht gerade neu. Aber das ist ein anders Thema, mich interessiert heute, ob sich die eine oder andere Position durch Fakten untermauern lässt.

Als ersten Schritt in meinem Faktencheck habe ich mir angeschaut, was das manager magazin und Odgers Berndtson bei ihrer Befragungen der Personalchefs der 500 größten Unternehmen herausbekommen haben. Als Überblick habe ich ein paar Auswertungen zusammengefasst:

Generation Y aus der Perspektive der Personalchefs

Die “Ypsiloner”, wie sie in dieser Befragung genannt werden, sind internationaler orientiert,  lieben Auslandsaufenthalte und haben bessere Fremdsprachenkenntnisse, doch beim Fachwissen, Führungswillen, Ehrgeiz oder Eigeninitiative schneiden sie deutlich schlechter ab.

Die “Digital Natives” haben sicher mehr Kompetenzen im Umgang mit digitalen und sozialen Technologien. Aber dienen diese Technologien nur zur Unterhaltung und privaten Kommunikation, oder wird dadurch die Kreativität und Eigenproduktion gefördert?  Martin Ebner, Forscher und Leiter der Abteilung Vernetztes Lernen an der TU Graz, untersucht die Frage “Digital Natives – Seid ihr wirklich alle anders?” und kommt aufgrund seiner langjährigen Beobachtungen zu der Feststellung:

Die oftmals gepriesene Net-Generation zeichnet sich durch gute techn. Ausstattung aus, Kommunikationskompetenz und eine primär passive Nutzung moderner Webapplikationen.

Gunter Dueck schreibt über die “Digital Naives – ohne t“:

Die Digital Natives wenden Tonnen voll Zeit und Liebe für ihre digitale Freudenwelt auf, aber als Arbeitnehmer haben sie dann wieder Teminnot und werden das alles im Dienst lieber lassen. Das verstehen die Digital Naives nicht.

Die in den Unternehmen nachrückende Generation ist gut ausgebildet und technikaffin. Ihr leichterer und häufig vorbehaltsloser Umgang mit  digitalen und sozialen Technologien im Privatbereich schafft jedoch kein  Alleinstellungsmerkal für das Interesse an der Nutzung neuer Technologien in der Arbeitswelt. In der Untersuchung „Modernes Arbeiten – Wunsch & Wirklichkeit in deutschen Büros” von TNS Emnid und dem IT-Dienstleister Computacenter waren sich alle Generationen darüber einig, dass es wichtig ist, im Berufsalltag mit modernen Kommunikationsformen umgehen zu können:

Offenheit-für-Innovationen

Müssen Unternehmen angesichts des  demografischen Wandels und eines zukünftig prognostizierten härteren Wettbewerb um Talente  ihr Personalmanagement stärker an Wünschen und Erwartungen der Millennials  ausrichten?  Die Personalwissenschaftler Torsten Biemann und Heiko Weckmüller sind der Frage nachgegangen, ob sich die Generationsunterschiede als Begründung für eine komplette Neuausrichtung der Personalarbeit eignen. Im Verständnis eines “evidenzbasierten Managements”, das durch den Ansatz gekennzeichnet ist, Management-Praktiken mit sozial-, verhaltens- und wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsergebnissen zu begründen,  stellen sie fest, das die Werthaltungen über die Generationen hinweg sehr ähnlich sind:

Werthaltungen im Generationenvergleich

Im Vergleich zu den Generationsunterschieden scheinen Trends und Alterseffekte eine höhere Bedeutung zu haben. Das Ergebnis fassen sie so zusammen:

Die Unterschiede in den arbeitsbezogenen Einstellungen zwischen Generationen sind zu gering, um eine grundsätzliche Neuausrichtung der Personalarbeit zu begründen.

Es sieht so aus, als ob nach dem Faktencheck die Basis fehlt, von einem tiefergehenden grundsätzlichen Unterschied zwischen den Generationen im Hinblick auf die Anforderungen an die zukünftige Arbeitswelt auszugehen:

  • Die Werthaltungen über alle Generation gleicht sich. Von der Tendenz her scheint nur die Freizeit eine etwas stärkere Rolle (im Sinne des oben angesprochenen Work-Life-Blendings) zu spielen.
  • Neue digitale und soziale Technologien werden aus der Sicht aller Generationen für die zukünftige Arbeitswelt eine wichtige Rolle spielen. Da die “Digital Natives” solche Technologien eher passiv nutzen ist es wichtig, die Erfahrungen der verschiedenen Generationen in den Unternehmen zusammenzubringen um neue, wertschöpfende Einsatzmöglichkeiten zu entdecken und zu realisieren.
  • Vertreter des Personalmanagements sind skeptisch, was kritisches und selbständiges Denken, Eigeninitiative und Führungsfähigkeiten der “Digital Natives” angeht (aber hey, sind das nicht genau die Themen, um die sich das Personalmanagement kümmern und die es voranbringen soll?).

Es wird auch in der Zukunft nicht an Führungskräften mangeln. Die  Telefónica Global Millennial Studie  hat eine  sogenannten „Millennial Elite” identifiziert. Diese Gruppe definiert sich durch ihre hohe Affinität zu Technologie, ausgeprägten Unternehmergeist und den unverrückbaren Glauben, etwas bewegen zu können. Die Vertreter der Millennial Elite sind optimistischer, karriereorientierter und engagierter als ihre Altersgenossen.

Bei der Suche nach neuen Perspektiven und Lösungen für die Arbeitswelt der Zukunft  macht wenig Sinn, einseitig auf die “Digital Natives” oder die “Generation X” zu schauen. Jede Generation hat ihre eigenen Lebens-, Arbeits- und Verhaltensweisen entwickelt.  Und dann gibt es in den Unternehmen ja auch noch die “Baby-Boomer”, die vielleicht gerade beginnen, ihre Perspektiven für die Arbeitswelt jenseits des Rentenalters neu auszurichten.  Der Faktencheck zeigt, dass neue Arbeitswelten in einer kurz- und mittelfristigen Perspektive nur generationsübergreifend entwickelt und realisiert werden können. Dazu ist es wichtig, die Generationen in den Unternehmen ins Gespräch zu bringen. Ansätze wie Reverse Mentoring und Coaching, die Schaffung von Voraussetzungen für die Erprobung von neuen Modellen für eine Arbeitswelt 2.0 und Diversity Management sind sinnvolle Schritte, um offene Kollaborationsplattformen und unternehmensinterne soziale Netzwerke tatsächlich erfolgreich in den Arbeitsalltag zu integrieren.

 

Bildnachweis – Bild oben: aboutpixel.de / Unter die Lupe nehmen © Rainer Sturm