Wenn die Unternehmenskultur nicht für soziale Medien geeignet ist

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Im Harvard Business Review Blog gab es zum Ende des letzten Jahres einen interessanten Beitrag von Jeanne C Meister und Karie Willyerd. Dieser beschäftigte sich mit dem Thema, ob ein Unternehmen überhaupt für Enterprise 2.0 bereit ist. Beim Durchlesen dieses Beitrags ist mir eine Erfahrung aus einem Fotoshooting vor einigen Jahren als Geschäftsführer wieder in den Kopf gekommen. Da sagte der Fotograf doch ernsthaft, er hätte jetzt ein paar ganz gute Bilder gemacht, auf denen ich kompetent, aufgeschlossen und vertrauenswürdig dreinblicke. Aber es würde in einem Unternehmen nicht immer gut laufen, deswegen würde er jetzt gerne noch ein paar andere Gesichtsausdrücke von mir festhalten: “Wissen Sie, wenn in der Presse Personalabbaupläne ihres Unternehmens diskutiert werden, dann braucht man andere Bilder von ihnen”.

Hat Enterprise 2.0 noch eine Chance, wenn es mal nicht so gut läuft? Dieser Frage gehen Meister und Willyerd nach. Dazu bieten sie zwei Szenarien zum Test an und fragen hypothetisch, wie die Führungskräfte in einem Unternehmen wohl reagieren würden:

  • Eine Führungskraft bloggt öffentlich über aktuelle Personalreduktionsmaßnahmen, mit der positiven Absicht die Stimmung bei den verbleibenden Mitarbeitern zu unterstützen. Die entlassenen Mitarbeiter sind darüber erzürnt und der Blogbeitrag wird als unseriös und wenig einfühlsam angesehen.
  • In einem internen sozialen Netzwerk bekommt eine neue Dienstleistung des Personalmanagement schlechte Bewertungen und negative Kommentare. Der Leiter Personalmanagement möchte daraufhin, dass alle Kommentare gelöscht werden.

Die Art und Weise wie die Führungskräfte in einem Unternehmen auf diese beiden Szenarien reagieren, ist sehr aussagefähig über den Erfolg oder das Scheitern der Einführung sozialer Medien.

Joe McKendrick erweitert diesen Kultur-Check, ob ein Unternehmen bereit für eine offene und transparente Kommunikation mit Mitarbeitern, Kunden und Partnern ist, mit folgenden Fragen:

  • Wollen wir wirklich eine Zweiweg-Kommunikation mit unseren Mitarbeitern, Partnern und Lieferanten?
  • Wenn es bereits soziale Medien zur Kundenkommunikation gibt, wie gehen die Führungskräfte eine Unternehmens mit der Fülle der Informationen um, die sie damit erhalten?
  • Sind die Führungskräfte aufgeschlossen und empfänglich für alle Informationen, die sie über soziale Medien erhalten oder wollen sie, dass das Feedback gefiltert, von negativen Aspekten bereinigt und in einer angenehmen Form aufbereitet wird?

Aber hat ein Unternehmen heute wirklich noch ernsthaft die Wahl, sich gegen ein zeitnahes und aussagefähiges Feedback über Produkte und Dienstleistungen zu entscheiden? Kann man die Wahrnehmung kritischer Stimmen aus den Reihen der Mitarbeiter auf die nächste formale Mitarbeiterbefragung vertagen? Kann man obsolete Managementstrukturen durch ein reines Publishing-Intranet mit ausgefeilten Redaktionsprozessen absichern?

Zugegeben, diese Fragen sind suggestiv. Aber die Antwort könnte durchaus “Ja” lauten, nämlich dann, wenn der Kultur-Check negativ ausgegangen ist. Dann wäre nämlich ein Scheitern von Enterprise 2.0 von Anfang an vorprogrammiert.

Was macht man in einem solchen Fall? Die Veränderung der Unternehmenskultur ist ein langfristiger Prozess. Muss dieser erst durchlaufen werden bevor man sich an das Thema Enterprise 2.0 wagt? Meister und Willyerd meinen dazu: “Nicht unbedingt”. Sie empfehlen zwei Vorgehensweisen:

  • Die Stärke von sozialen Medien in einem überschaubaren Bereich in Form eines Piloten auszuprobieren und auf diesen Erfolgen aufzubauen.
  • Einen Innovation Jam zu organisieren, bei dem alle Mitarbeiter eine bestimmte Zeit dazu nutzen, die aktuellen Produkte oder Dienstleistungen zu verbessern oder neue vorzuschlagen.

Für all diejenigen, die die Ideen hinter dem Enterprise 2.0-Konzept attraktiv finden und in eine Realisierung einsteigen wollen bedeutet dies zunächst einmal, sich klar zu werden, dass wir nicht (nur) über Web 2.0 hinter dem Corporte Firewall, sondern über ein strategisches Change Management-Projekt sprechen. Und dies erfordert, die notwendige Offenheit und Transparenz von sozialen Medien aus Sicht der aktuellen Unternehmenskultur von Anfang an zu berücksichtigen.