Zur Veröffentlichung seines neuen Buches “Enterprise 2.0: New Collaborative Tools for your Organization’s Toughest Challenges” gab Andrew McAfee in McKinsey Quarterly (eine kostenlose Registrierung ist zum vollständigen Abruf erforderlich) ein Interview. Ich möchte hier versuchen, seine wichtigsten Aussagen herauszuarbeiten und zu analysieren.
Wie fängt man mit Enterprise 2.0 an: Top-Down oder Bottom-Up?
Die Vertreter der Bottom-Up-Schule argumentieren, dass es ausreichend ist, die Web 2.0-Werkzeuge bereitzustellen und die weitere Entwicklung den Kräften der Selbstregulierung zu überlassen. “If we build it, they will come” ist das Glaubenbekenntnis dieser Schule. Die Durchdringung des Unternehmens erfolgt dann von unten nach oben und das Management soll, falls es davon überhaupt etwas mitbekommt, allenfalls die notwendigen finanziellen Mittel bereitstellen.
Die andere Schule geht davon aus, dass eine Einführung Top-Down erfolgen muss. Die Unternehmensleitung muss zumindest signalisieren, dass diese neuen Arbeitsformen gewünscht sind und im Einklang mit den Zielen des Unternehmens stehen. Andernfalls würden sich die Mitarbeiter die ganzen Entwicklungen “von der Seitenlinie” aus anschauen und sich fragen, ob sich ein persönliches Engagement lohnt.
McAfee behauptet zunächst diplomatisch, dass er für beide Schulen Sympathie empfindet bevor er sich dann zur Top-Down-Schule bekennt. Die Veränderungen durch Enterprise 2.0 in der Arbeitswelt sind so weitreichend, dass sowohl Führung als auch Anreize für die Mitarbeiter erforderlich sind, um diesen neuen Wegen zu folgen. Dies steht im Einklang mit unseren Erfahrungen, die ich vor kurzem so beschrieben habe:
Schaut man sich Enterprise 2.0 – Fallbeispiele an, kann man feststellen, dass die Nutzung von Social Software sowohl Top-down als auch Bottom-up initiiert werden kann. Alleine aber darauf zu vertrauen, dass sich Enterprise 2.0 aufgrund der vorhandenen Potenziale durchsetzen wird, geht an der Komplexität des Themas und den Realitäten in den Unternehmen vorbei. Erfolgreiche Unternehmen legen Spielregeln für die Nutzung von Social Software fest und binden das Thema in einen breiten strategischen Ansatz ein.
Enterprise 2.0 und Change Management
Wenn ein Unternehmen nicht bereit ist, den Wandel zum Enterprise 2.0 aktiv zu gestalten, wird das Unternehmen sehr schnell wieder in alte Muster zurückfallen. McAfee nennt einige Ansatzpunkte für eine breite Einführung von Enterprise 2.0:
- Für die Einführung von Enterprise 2.0 braucht man eine Strategie. Die setzt voraus, zu wissen, was in der “2.0-Welt” vor sich geht und was man damit in einem Unternehmen anfangen kann.
- Die Mitarbeiter müssen Zeit haben zu lernen, mit den neuen Werkzeugen umzugehen und zu verstehen, was von ihnen erwartet wird.
- Mitarbeiter auf allen Ebenen eines Unternehmens müssen ermutigt werden, die neuen Werkzeuge einzusetzen und deren Nutzen zu erkennen.
- Themen wie Risiken, Datenschutz, Informationssicherheit und Geheimhaltung bei der Nutzung kollaborativer Technologien dürfen weder unter den Tisch gekehrt noch zum “No-Go”-Argument werden. Vielmehr ist es notwendig, dafür eine gute Lösung zu finden.
- Die Bedeutung des mittleren Management wird sich verändern. Ihre Aufgabe wird in einem Enterprise 2.0 weniger in einer “Gatekeeper”-Funktion, mit der die Informationen gefiltert werden, bestehen, sondern in der Führung der Mitarbeiter und dem richtigen Einsatz des menschlichen Faktors.
Enterprise 2.0 und ROI
McAfee stellt fest, dass es darum gehen muss, mit Enterprise 2.0 bestimmte geschäftliche Zielsetzungen zu erreichen. Als Beispiel nennt er die Nutzung des vorhandenen Wissens und das Finden von Expertise in einem Unternehmen. Er empfiehlt, vorab zu überlegen, welche Probleme oder welche Möglichkeiten man mit Enterprise 2.0 angehen kann und dann die entsprechenden Technologien einzuführen. Und dann daran den Erfolg zu messen. Dazu hatte ich in einem anderen Beitrag geschrieben:
(…) es jetzt darum, den Nutzen nachzuweisen und aufzuzeigen, welche “echten” Probleme man mit Enterprise 2.0 lösen kann. Ein großes Potenzial liegt in der Chance, betriebliche Anwendungen zu gestalten, die entweder die vorhandenen Lösungen einer “1.0-Welt” systematisch erweitern oder, die es einem erlauben, “Dinge zu machen”, die man bislang nicht realisieren konnte. Was das sein könnte? Wissensmanagement, Projektarbeit und Projektmanagement, betriebliches Vorschlagswesen und Innovationsmanagement, Kundenintegration und Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterbindung – und zufriedenheit, Personalentwicklung, Qualifizierung, Unternehmensplanung und Strategieentwicklung, Change Management, Führung. Die Liste an betrieblichen Anwendungen könnte man sicher noch verlängern.
Ein interessantes Interview vom Vater des Begriffs “Enterprise 2.0” das zeigt, welch wichtiger Schritt die Einführung von Enterprise 2.0 für die zukünftigen Arbeits- und Unternehmenswelten sein wird.