Misserfolgsfaktoren für Enterprise 2.0 und Social Business (Teil 3)

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Jurgen AppeloNach Teil 1 und Teil 2 des Beitrags zu Misserfolgsfaktoren für Enterprise 2.0 geht es nun im dritten und letzten Teil um die Beschreibung der Faktoren aus der Kategorie “Kultur passt nicht”. Dazu nochmals zur Erinnerung die Übersicht in Schaubild 1.

Risikobewertung_FolieSchaubild 1: Misserfolgsfaktoren in drei Kategorien

Misserfolgsfaktoren in der Kategorie “Kultur passt nicht”

Unter dieser Kategorie haben wir alle Items aus den Studien zusammengefasst, die entweder direkt   als Unternehmenskultur genannt wurden, oder aber indirekt durch die Unternehmenskultur bedingt die Einführung von Enterprise 2.0 beeinflussen können. Wir haben dazu drei Gruppen mit steigendem Risiko der Faktoren gebildet.

Misserfolgsfaktor 1: Ungeeignete Prozesse

Diese Dimension wird auch gerne mal als “Ausrede” für den doch sehr hohen Aufwand für die Einführung von Enterprise 2.0 vorgeschoben. Das schmälert aber nicht das Risiko. Enterprise 2.0 macht aus einem Unternehmen mit schlecht geführten Prozessen nicht plötzlich eines, das bestens läuft. Zuerst kommt die Prozessoptimierung, dann die Einführung. Mit dem Redesign von Strukturen und Prozessen tun sich bekanntermaßen vor allem größere Unternehmen schwer, wie auch die Studie von McKinsey zeigt. (siehe Schaubild 2)

Prozesse_Orgastruktur_McKinsey2014Schaubild 2: Die fünf größten Herausforderungen für digitale Programme [1]

Die Antwortitems in der Dimension “ungeeignete Prozesse” lauten:

  1. Zum einen geht es um die Integration in bestehende Arbeitsprozesse, auch aus der technischen Perspektive der Integration von Social Collaboration Features. Wichtiger aber ist vielmehr die organisatorische Perspektive und einer damit verbundenen Reorganisation. (siehe Schaubild 3) Die neuen kollaborativen Aufgaben müssen für die Jobs und Tätigkeiten beschrieben werden, Arbeitsziele ändern sich. Entscheidungsprozesse verändern sich und möglicherweise müssen Berichtswege neu definiert sowie deren Verantwortlichkeiten und Rollen neu festgelegt werden. Des weiteren werden Richtlinien für den Umgang und die Entwicklung von Nutzer basierten Inhalten notwendig. Ein immenser Aufwand, der gerne übersehen wird oder mit dem Argument “unsere aktuelle Unternehmenskultur verhindert die Integration von Social Business Anwendungen” und “wir sind nicht Enterprise 2.0 fähig” abgetan wird.
  2. Als weiteren Aspekt wird eine unpassende Organisationsstruktur genannt. Enterprise 2.0 wird fälschlicherweise oftmals mit Hierarchielosigkeit verwechselt. Die Bedeutung von Crossfunktionalen Teams oder generell einer Teamorientierung wird nicht als notwendig erachtet. Kollaboration ist, außer in vordefinierten Konstellationen, schlichtweg nicht vorgesehen. Darüber hinaus lassen geschlossene Informationssysteme auch nicht zu, dass Wissen geteilt wird oder der Mitarbeiter selbst Inhalte produziert. Bei Unternehmen, die ihre Antworten hier platziert sehen, ist der Misserfolg bereits vorprogrammiert.
  3. Die dritte für Enterprise 2.0 kritische Prozessdimension sind unflexible Managementprozesse, die zu langsam sind. Die Zentralisierung von Entscheidungsprozessen macht ein schnelles Reagieren nicht möglich. Managementprozesse im Enterprise 2.0 müssen verändert werden. Ein “Social Mindset” erfordert eine offene Kommunikation, transparente Information und eine Feedbackkultur. Dazu braucht ein Management neue Prinzipien, Werte und Methoden. Das Risiko hier steckt weniger in den Prozessen selbst sondern in der Angst des Managements, diese verändern zu müssen.

Integration in Arbeitsprozesse_CSCM2013Schaubild 3: Wahrgenommene Schwierigkeiten [2]

Misserfolgsfaktor 2: Mangelnde Akzeptanz der Mitarbeiter

Nicht nur den Führungskräften mangelt es an Akzeptanz sondern auch den Mitarbeitern. (siehe auch Schaubild 3) Hierfür gibt es in der Regel viele Gründe. Die in direktem Zusammenhang mit Enterprise 2.0 ermittelten Gründe sind:

  1. Mitarbeiter bevorzugen traditionelle Werkzeuge der Kommunikation und Kollaboration wie z.B. E-Mail und haben ein mangelndes Interesse, neue Tools auszuprobieren. Insbesondere dann, wenn lediglich die Technik und Tools bereitgestellt werden, und darüber hinaus keine weiteren Einführungs-, Qualifizierung- oder Change Management Maßnahmen durchgeführt werden, ist das Risiko der Nicht-Nutzung bis hin zur Verweigerungshaltung besonders hoch.
  2. Aus der Sicht des Managements ist die fehlende Akzeptanz der Mitarbeiter zwar nur ein Hindernis von nachgeordneter Bedeutung für die Einführung. (siehe Schaubild 4) Je mehr aber die aktive Mitwirkung des Managements fehlt, desto weniger werden sich die Mitarbeiter selbst engagieren (wollen oder können). Wenn der Wunsch nach Partizipation fehlt, keine Bereitschaft zur Kollaboration vorhanden ist und sich die Mitarbeiter nur widerwillig einbringen, werden sie kaum empfänglich für den Wandel sein. Dadurch steigt auch das Risiko eines Misserfolges.
  3. Eine mangelnde Akzeptanz kann im Worst Case auch zum Widerstand gegen das Vorhaben Enterprise 2.0 führen. Insbesondere, wenn Mitarbeiter “Neuem” gegenüber misstrauisch sind, weil sie bereits schlechte Erfahrungen gemacht haben, weil eine “Misstrauenskultur”” im Unternehmen oder ein ungesundes Wettbewerbsverhalten zwischen Kollegen besteht. Das Risiko Mitarbeiterakzeptanz sollte keinesfalls unterschätzt werden. Es geht hier nicht um eine Technologie, die im Zweifel eben nicht genutzt wird. Es geht hier um einen Kulturwandel, der ohne die Mitarbeiter nicht zu vollziehen ist. In der Regel haben die Mitarbeiter auch noch die Interessensvertreter auf ihrer Seite, die die Einführung von Enterprise 2.0 nachhaltig stören können.

Akzeptanz_PAC2013Schaubild 4: Fehlende Akzeptanz bei den Mitarbeitern [3]

Misserfolgsfaktor 3: Misstrauenskultur

Wenn eine Unternehmenskultur tatsächlich nicht passt, dann deshalb, weil sie auf Misstrauen beruht; Misstrauen von Führungskräften gegenüber ihren Mitarbeitern, denen sie nicht zutrauen, dass sie verantwortlich mit sozialen Technologien, Inhalten umgehen können oder diese auch produktiv einsetzen werden. Eine solche Kultur macht die Einführung von Enterprise 2.0 nahezu chancenlos. Die Antwortitems, die wir dieser Dimension zugeordnet haben, sind:

  1. Zeitverschwendung und Ablenkung vom Kerngeschäft waren oft genannte Items von Führungskräften. 47% der vom BITKOM befragten ITK-Unternehmen nannten die Angst vor Zeitverschwendung als größte Herausforderung für Social Business Aktivitäten. (siehe Schaubild 5) Die Angst, mit Social Media wird nicht mehr gearbeitet, sondern Zeit verschwendet, stellt ein hochkritisches Risiko für deren Einführung dar, auch wenn nur einzelne Bereiche oder einzelne Personen davon betroffen sind.
  2. Eine weit größeres Risiko, das genannt wurde, ist der Produktivitätsverlust. Hierunter fallen Antworten wie unproduktives Verzetteln, negative Auswirkungen auf das Arbeitsergebnis, “too much social, not enough business” und ähnliches. Eine Studie der Wiesbaden Businesss School sieht den Verlust der Produktivität mit 41% als Hauptrisiko und als eine Gefahr für Enterprise 2.0.
  3. Ein “unverantwortliches Mitarbeiterverhalten” wurde als Risiko genannt. Wenn das Vertrauen zu den Mitarbeitern gänzlich fehlt, wenn Mitarbeiter nur noch als Risiko gesehen werden und ihnen unverantwortliches Verhalten vorgeworfen wird, ob im Auftreten in sozialen Netzwerken, bei Daten- und Wissensverlust, beim Teilen von Inhalten oder bei der Nutzung sensitiver Informationen, dann sollte von der Einführung von Enterprise 2.0 und Social Business erst mal Abstand genommen werden.

Arbeitszeitverschwendung_Bitkom2013Schaubild 5: Zeitverschwendung als eine der größten Herausforderungen [4]

Die Misserfolgsfaktoren sind jetzt geschafft. Damit ist die Performancematrix nun auch vollständig beschrieben.

Für das Risikomanagement würde ich die Kategorien und Dimensionen von Misserfolgsfaktoren, bezogen auf das Misserfolgsrisiko und die Zeit der Einführung von Enterprise 2.0 und Social Business, grob wie im folgenden Schaubild 6 darstellt, einteilen.

Misserfolgsrisiko und ZeitSchaubild 6: Skizze der Kategorien und Dimensionen von Misserfolgsfaktoren bezogen auf das Misserfolgsrisiko und die Zeit der Einführung von Enterprise 2.0

Verwendete Literatur

[1] Gottlieb, Josh; Willmoth, Paul (2014): The digital tipping point. McKinsey Global Survey Results. 2014. P. 6

[2] Richter, Alexander; Koch, Michael u.a. (2013): Vernetzte Organisation. Studie 2013. Forschungsgruppe Kooperationssysteme München der Universität der Bundeswehr in Zusammenarbeit mit der Communardo Software GmbH. S. 10

[3] Pierre Audoin Consultants (PAC) (2013): Social Collaboration in Deutschland, Frankreich und Großbritannien 2013. Perspektive der Fachbereiche. Mai 2013. S. 30

[4] BITKOM (2013): Einsatz und Potenziale von Social Business für ITK-Unternehmen. Berlin 2013. S. 33

Unsere vorliegenden Beiträge dieser Reihe:

  1. Die Performancematrix
  2. Erfolgsfaktoren
  3. Exkurs: Erfolgsfaktor Strategie
  4. Misserfolgsbarrieren
  5. Erfolgsbarrieren
  6. Misserfolgsfaktoren (Teil 1) (Teil 2) (Teil 3)

Bildnachweis – Vorschaubildausschnitt oben links:   © Jurgen Appelo, Creative Commons 2.0