Praxisleitfaden Enterprise 2.0

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Praxisleitfaden Enterprise 2.0Am Wochenende habe ich mir das Buch “Praxisleitfaden Enterprise 2.0 – Wettbewerbsfähig durch neue Formen der Zusammenarbeit, Kundenbindung und Innovation” von Frank Schönefeld aus meiner Kiste mit den noch ungelesenen Büchern geholt. Ich hatte Frank Schönefeld im Frühjahr als Teilnehmer auf dem Enterprise 2.0 Forum in Köln getroffen. Als Moderator versuchte ich zu Beginn der Veranstaltung, einen Überblick zu bekommen, welchen betrieblichen Hintergrund die Teilnehmer hatten. Viele kamen aus dem Kommunikationsbereich, andere hatten einen Marketing- oder HR-Hintergrund und auch einige Vertreter aus Fachabteilungen waren dabei. Frank Schönefeld outete sich dann als einziger Vertreter aus der Geschäftsführungsebene. Auf die Frage, wie er sich denn als einziger Vertreter der oberen Entscheiderebene hier fühle antwortete er “wie ein einsamer Rufer in der Wüste”. Passt eigentlich! Um im Bild zu bleiben: ein einsamer Rufer geht einen schwierigen Weg mit einer Fackel voran, um uns den Weg zu weisen. Er ist aufklärerisch, hat eine radikale Überzeugung und rüttelt andere auf.

Sein Buch startet vielversprechend. Es werden nicht nur die üblichen Fakten und Daten zum Internet vorgestellt, sondern man bekommt gleich ein Phasenmodell mit den Entwicklungsstufen des Internets präsentiert. Das erinnerte mich an die Diskussionen auf dem europäischen Social Business Design Summit (#sbs2010) im Frühjahr diesen Jahres in London. War das Motto in dem ersten Internet-Hype bis zum Jahr 2000 “Alles wird (mehr oder weniger) digital” ist das Web 2.0 durch “Alles wird sozial” geprägt. “Social Business Design” als neue Idee im Web. Frank Schönefeld blickt noch weiter, sieht am Horizont “Web X.0: Das ubiquitäre Internet” oder “Web im Quadrat” – das Web Squared.

Es wäre interessant, jetzt weiter über die Zukunft des Webs zu philosophieren. Aber das Buch hat ja eine Agenda, es soll “Basiswissen zum erfolgreichen Einsatz von Web 2.0-Technologien” ermitteln. Daher gibt es gleich im Kapitel 2 sozusagen den “Rücksturz zur Erde”: Vom Web 2.0 zum Enterprise 2.0. Nachdem man die Kapitel über die “Pattern des Web 2.0” und die möglichen revolutionären Folgen des Web 2.0 für die Unternehmen durchgelesen hat, ist, um im Bild des einsamen Rufers in der Wüste zu bleiben, mächtig viel Staub aufgewirbelt worden. Aber dadurch wird deutlich, dass “Enterprise 2.0 zu sein heißt, den Anpassungsprozess an die veränderten Umweltbedingungen im digitalen Lebens- und Geschäftsraum zu meistern”. Wer jetzt immer noch keinen Handlungsbedarf in seinem Unternehmen sieht, der dürfte nicht mehr zu retten sein.

Kapitel 3 befasst sich dann mit sozialer Software im Unternehmen. Die verschiedenen Ausprägungen von sozialer Sofware (Wikis, Blogs, Feeds, Mashups usw.) sind verständlich und auch in netter Form grafisch aufbereitet. Für mich stellt sich nur die Frage, ob jemand, der selbst nicht schon Erfahrungen mit dem Einsatz von sozialer Software gemacht hat, ihre Wirkweise und ihren Nutzen durch eine formale Erläuterung verstehen kann. Aber der notwendige Aufbau von Kompetenz zur Nutzung von sozialer Software ist ein anderes Thema.

Im nächsten Kapitel werden die Netzwerkeffekte in der Tradition Tim O’Reilly (“Web 2.0 sind vernetzte Applikationen, die explizit Netzwerkeffekte anwenden und ausnutzen”) als die zentrale treibende Kraft für ein Enterprise 2.0 beschrieben und es wird erläutert, wie die verschiedenen Ausprägungen von sozialer Software die Gestaltung von Netzwerkeffekten unterstützen.

Nach gut einem Drittel des Buches sind damit jetzt die Grundlagen gelegt. Im nächsten Kapitel stürzt sich Frank Schönefeld auf die Wertversprechen des Enterprise 2.0. Anstelle der, aus meiner Sicht, nicht zielführenden Diskussion, ob man so etwas Tolles wie Enterprise 2.0 einer schnöden ROI-Diskussion unterwerfen darf oder nicht, entwickelt Frank Schönefeld ganz konkrete Nutzenszenarien. Seine quantitative und qualitative Aufbereitung der Wertversprechen hat das Potential, dabei zu helfen, die Controlling-Hürde im Unternehmensalltag zu überwinden.

Werteversprechen des Enterprise 2.0

Das Kapitel 6 befasst sich mit dem Status quo von Enterprise 2.0. Hier geht es um Einführungsmodelle, Anwendungsfälle und Geschäftsprozesse auf Basis von Fallstudien zum Enterprise 2.0. Ganz am Ende verbirgt sich unter Kapitel 6.3.2 eine mehr als nützliche Zusammenstellung von Blaupausen für ein Enterprise 2.0. Mit rund 60 dieser Blaupausen wird die Breite und Tiefe der möglichen Anwendungsfälle von Enterprise 2.0 deutlich.

Eine Referenzarchitektur für Enterprise 2.0 ist Gegenstand des siebten Kapitels. Die von Frank Schönefeld entwickelte Referenzarchitektur stellt sehr anschaulich dar, wie sich aus Sicht des Technologiemanagements die Intranets und die Internetauftritte der Unternehmen unter dem Einfluß der Enterprise 2.0-Werkzeuge weiterentwickeln können.

Enterprise 2.0 Referenzarchitektur

In Kapitel 8 wird ein Reifegradmodell für das Enterprise 2.0 entwickelt. Reifegradmodelle haben in vielfältiger Form (z.B. in der Softwareentwicklung, als Business Exzellenz-Modell, im Projektmanagement) ihre Nützlichkeit bewiesen. Daher entwickelt Frank Schönefeld ein wie er schreibt leichtgewichtiges Reifegradmodell für Enterprise 2.0, das logisch aufeinanderfolgende Entwicklungsschritte in verschiedenen Dimensionen umfasst. Für die verschiedenen Fachabteilungen in den Unternehmen ordnet er dann die jeweiligen Blaupausen aus Kapitel 6 zu.

Reifegradmodell Enterprise 2.0

Im letzten Kapitel ist dann ein Vorgehensmodell zur Etablierung von Enterprise 2.0 unter Nutzung verschiedener Outputphasen beschrieben. Dass Enterprise 2.0 ein langer Weg sein kann, dämmert einem nicht erst beim Lesen des letzten Abschnitts:

Vor den Unternehmen liegt eine längere Phase der Anpassung und Gestaltung des Übergangs zum Enterprise 2.0, die sich insbesondere in sozialen Intranets, soziale Medien nutzenden Internetauftritten und verändernden Arbeitsprozessmustern manifestieren wird.

Das Buch von Frank Schönfeld ist sicher kein leichtgewichtiges Buch, dazu gibt es aber auch schon genügend im Enterprise 2.0-Umfeld. Eigentlich sind mehrere Bücher in einem Buch zusammengefasst worden, was zu einer gewissen Komplexität führt. Ich würde, je nach Zielsetzung, verschiedene Lesepfade durch das Buch vorschlagen:

Ich möchte mir einen Überblick zur Enterprise 2.0-Diskussion verschaffen

  • Kapitel 1, Kapitel 2 und Kapitel 4

Ich möchte das Thema Enterprise 2.0 mal aus der Werkzeugsicht verstehen

  • Kapitel 1, Kapitel 3 und Kapitel 7

Ich brauche Argumente, um das Thema Enterprise 2.0 bei uns im Unternehmen anzustoßen

  • Kapitel 2, Kapitel 6 und Kapitel 5

Ich bin für die Einführung von Enterprise 2.0 verantwortlich

  • Kapitel 9, Kapitel 5, Kapitel 8

Das Buch kann also für verschiedene Zielgruppen nützlich sein. Und wer gerade in einem Enterprise 2.0-Projekt steckt, für den findet sich genügend Arbeitsmaterial in den Anhängen. Und übrigens: Die Onlinequellen zu dem Buch sind als Bookmark verfügbar.