Spielend führen lernen

Home / Anwendungen / Führung / Spielend führen lernen

In der heutigen Print-Ausgabe des Handelsblatt findet man einen Artikel, in welchem behauptet wird:

“Erfolgreiche Gamer haben häufig auch Führungsqualitäten”.

Ist es jetzt notwendig, die Kandidaten bei Bewerbungsgesprächen in den Unternehmen nach Erfahrungen in MMOGs (Massive Multiplayer Online Games), MMORPGs (Massively Multiplayer Online Role-Playing Games) und Second Life zu fragen? Kann man Entwarnung bei besorgten Eltern geben, deren Kinder ihre Zeit nicht mehr vor dem Fernseher sondern im Internet verbringen? Müssen Unternehmen für die Zielgruppe der “Internet Generation”, die mit diesen Technologien und Anwendungen aufgewachsen ist, ganz andere Arbeitsumgebungen schaffen?

Zuerst ist es mal lehrreich zu sehen, mit welchen Technologien die Internet-Generation bereits aufgewachsen ist:

Die Internet-Generation

“Wer sich in der virtuellen Welt behauptet, hat auch in der realen Welt gute Chancen”. Vielleicht würde man so eine Feststellung in der Informationsmenge als irrelevant untergehen lassen, wenn da nicht zusätzlich stehen würde, dass IBM Research dies festgestellt hat. Also machen wir uns mal auf die Spuren- und Faktensuche.

Erste Hinweise findet man in dem “Global Innovation Outlook 2.0 Report” mit dem Titel “Virtual Worlds, Real Leaders: Online Games put the Future of Leadership on Display“. Die Ausgangsfrage ist: Wenn die Arbeitswelt zunehmend virtuell und verteilt wird, welche Fähigkeiten und Kompetenzen brauchen zukünftige Führungskräfte in einer solchen Arbeitsumgebung? Als theoretische Basis wird das “Distributed Leadership Model (DLM)” vom MIT Leadership Center mit seinen vier Komponenten zugrundegelegt:

Sinn geben: Der Welt um uns herum einen Sinn geben und Verständnis für den Kontext, in dem wir agieren, schaffen.

Beziehungen entwickeln: Im Unternehmen und über das Unternehmen hinaus Schlüsselbeziehungen entwickeln.

Visionen entwerfen: Überzeugende Bilder von der Zukunft entwickeln.

Erfinderisch sein: Neue Formen der Zusammenarbeit gestalten, um diese Visionen zu realisieren.

Online-Spieler erfahren in einer sich schnell verändernden, verteilten Umgebung, dass Führung

  • ein zeitlich begrenztes Phänomen,
  • aufgabenorientiert sowie
  • dynamisch und sich ständig wandelnd

ist.

Sie können spielerisch verschiedene Aspekte für Führungsaufgaben in virtuellen und verteilten Arbeitsumgebungen erfahren:

  • projektorientierte Organisationen,
  • vielfältige Informationsquellen in Echtzeit, auf deren Basis Entscheidungen getroffen werden müssen,
  • transparente Fähigkeiten und Kompetenzen unter den Mitspielern,
  • transparente Belohnungssysteme,
  • vielfältige und aufgabenspezifische Kommunikationsmedien.

Erfolgreiche “Guild”-Führer von heute bzw. gute Führungskräfte von morgen schaffen für diese Themen Lösungen im Sinne des “Distributed Leadership Model”. Mehr Details findet man in der ausführlichen Studie von Byron Reeves und Tom MaloneLeadership in Games and at Work“. Danach sind viele Aspekte erfolgreicher Führung in Online-Spielen sehr ähnlich der Führungsaufgabe in den Unternehmen.

Die Autoren weisen aber noch auf ein weiteres Thema hin, die Rolle der Arbeitsumgebung mit ihren Informations- und Kommunikationskanälen. Dieses Thema wird vom “IBM Institute for Business Value” im Report “Leadership in a Distributed World – Lessons from Online-Gaming” aufgegriffen. Ihre Kernausagen für die Führungsaufgabe in einer mehr als heute virtualisierten Zukunft sind:

  • virtuelle Führer müssen Vertrauen unter Mitarbeitern schaffen, die vielleicht niemals unmittelbar physikalisch zusammenarbeiten,
  • das Entwerfen von Visionen ist die entscheidende Aufgabe einer Führungskraft; effektive Führungskräfte nutzen ständig die verfügbaren Informationen für schnelle Entscheidungen und Anpassungen,
  • Führungskräfte mit einem Fokus auf Umsetzung motivieren ihre Mitarbeiter mit schnellem Feedback und Belohnungen, die einen strategischen Bezug haben.

Interessant fand ich insbesondere diese Zusammenstellung mit den Handlungsfeldern für die Führungskräfteentwicklung, die Technologien oder Innovationen, die Führungskräfte einsetzen können und den Nutzenaspekten bzw. den organisatorischen Auswirkungen:

Handlungsfelder für die Führungskräfteentwicklung

Da dies alles Themen sind, mit denen auch wir uns beschäftigen, stimmt uns das Zitat von Byron Reeves, Professor für Kommunikation an der Stanford University, zuversichtlich für die Zukunft:

“If you want to see what business leadership may look like in three to five years, look at what’s happening in online games.”